Klara im Brockenhaus

Klara und ich lernten uns im Zug kennen, auf den täglichen Fahrten von Zürich nach Aarau.

Wir arbeiteten damals beide in Aarau und wir fuhren selbstverständlich erster Klasse.  Wir waren beide bereits um die 50 Jahre alt und wussten das Leben zu geniessen. Wir hatten all die Jahre gelernt zu verweilen und uns um die  ganze Pracht des Lebens zu kümmern.

Klara sass stilvoll im weichen Sessel des Zuges, am Fenster. Sie hatte lange, weich fliessende Haare, die in der Sonne glänzte. Ihre Beine waren elegant übereinandergeschlagen. Sie las in dicken Büchern. Das faszinierte mich, ich liebe dicke Bücher. Klara war gepflegt und hatte ein weises etwas schalkhaftes Lächeln auf den Lippen, während sie las. Ihre  silberne dünne Lesebrille sass ganz vorne auf der Nasenspitze. Wir waren uns ähnlich, das sah ich sofort. Als sie mich nach vielen gemeinsamen Zugfahrten ansprach, war das für mich eine ganz vertraute Situation. Wir schauten uns  mit geübtem Silberblick, schon seit Wochen auf die Bücher.
Klara ist faszinierend einfach: "Schönes Wetter diesen Frühling, nicht wahr?"
"Ja, sehr schön, ich geniesse es, im Garten lesen zu können, am kleinen Fischteich unter den Birken."
"Ich liebe das erste  Bunt der Frühlingsblumen, jeden Frühling etwas mehr!" "Wie schön Sie das sagen, Sie müssen viel lesen...". ...